Geboren 1954 in Wien, bereiste Hans Tschiritsch in
den 1970er und 80er Jahren als fahrender Musikant, Stelzengeher und
Puppenspieler die Welt. Sein Einstieg in die Musik war der Blues,
sein erstes Instrument die Gitarre, die er so wie später auch die
Geige, autodidaktisch erlernte.
Zurück in Wien versuchte er sich als Initiator verschiedener Musik-Ensembles
und gründete schließlich 1987 zusammen mit dem Akkordeonisten Otto
Lechner Das 1. Strenge Kammerorchester. Hans Tschiritsch,
Spezialist für alles Ausgefallene, spielte Singende
Säge und Berimbau. In den folgenden Jahren gab das Ensemble viele
erfolgreiche Konzerte, unter anderem zusammen mit Literaten und Kabarettisten
wie H.C. Artmann, Josef Hader, Otto Grünmandl oder Julian Schutting.
1991 veröffentliche Das 1. Strenge Kammerorchester ein gleichnamiges
Album.
Anfang der 1990er-Jahre engagierte sich Hans Tschiritsch beim Theater
des Augenblicks, dessen Mitbegründer er auch war. Es folgten mehrere
Gastspiele in der Türkei, wo er Das Epos von Scheich Bedreddin von
Nâzım Hikmet musikalisch umrahmte. 1993 verbrachte er sechs Monate
am türkischen Staatstheater in Antalya, um bei der Trilogie Mahmut
ile Yezida des kurdischen Schriftstellers Murathan Mungi mitzuwirken.
1996 gründete er das Ensemble Tschiritschs
Urwerk, mit dem er in
wechselnden Besetzungen drei Alben einspielte. Von dekonstruierten
und neu arrangierten Klassikern der Beatles bis Mozart und eigenen
Kompositionen spannt sich hier der musikalische Bogen.
Hans Tschiritsch ist Komponist. Er hat die Musik
für mehrere CDs geschrieben. Darüber hinaus schuf er Kompositionen
für das Wiener Burgtheater, wo er von 1994 bis 2000 auch als Bühnenmusiker
und Geräuschmeister beschäftigt war. Birgit Dolls vielbeachtete Inszenierung
von Geschichten aus dem Wiener Wald am Landestheater Niederösterreich
begleitete seine Musik ebenso wie zahlreiche Aufführungen am Volkstheater,
Serapionstheater oder am Konzerthaus Berlin.
Hans Tschiritsch ist Instrumentenerfinder und Klangforscher.
Seit Mitte der 1980er Jahre beschäftigt er sich mit dem Phänomen
der Obertöne.
Auf einer Studienreise nach Tuwa (Sibirien) perfektionierte er seine
Technik im Obertongesang und bald begann er, spezielle Obertoninstrumente
wie den Klangpropeller, das Zwitscheridoo, die Wehmutswalze, das
Trompetuum mobile, die Obertondrehleier oder die Heisere Lunge zu
entwickeln und zu bauen. Die erste Ausstellung dieser mitunter
skurril anmutenden Klang-Objekte fand 1996 in der Alten Schmiede
statt. Drei Jahre später veranstaltete das Wiener Volkskunde-Museum
unter dem Titel Phono-Inventionen ein große Schau mit Tschiritschs
Erfindungen.
Hans Christian Tschiritsch:
Phono-Inventionen. Sonderausstellung 22. Jänner bis 28. März 1999
(Katalog des Österreichischen Museums für Volkskunde in Wien,
Herausgeber: Franz Grieshofer)
Seine Erfahrung und sein Wissen in Obertongesang und Instrumentenbau
gab und gibt Hans Tschiritsch in Seminaren und Workshops weiter,
beispielsweise an der University of Toronto, an der Hochschule für
Musik und darstellende Kunst in Wien oder bei Lehrgängen im
Rahmen von Linz09 - Kulturhauptstadt Europas. In Projekten wie Die
Schule des Lauschens animiert Hans Tschiritsch Kinder an Schulen,
sich Musik und Klang auf neue Art und Weise zu nähern.
Auf Einladung von Prof. Alexander Rapoport
und Prof. Michael Schönberg veranstaltete Hans Tschiritsch
2004 einen Workshop für Instrumentenbau an der University of
Toronto Scarborough. Als Abschluss des 5-wöchigen Lehrgangs
gaben die Studenten ein Konzert mit ihren selbstgebauten Klangkörpern
wie etwa dem Phono-Typewriter oder der Regenmaschine.
2012 vollendete Hans Tschiritsch die Arbeit an Tropfen
des Seins – Echt-Zeit-Komposition für Wassertropfen, Obertonchor & Instrumentalsolisten.
Seither wurde das Werk, das idealweiser mehrstöckig konzertiert wird,
regelmäßig an architektonisch und akustisch interessanten Orten wie
im Wiener Musikverein, im Wasserturm Favoriten, im Künstlerhaus,
in der St.-Johannes-Nepomuk-Kapelle oder in der Ruprechtskirche aufgeführt.
In den Jahren 2012 und 2013 fand in der Wachau das Festival Nomaden
des Seins statt, bei dem Hans Tschiritsch gemeinsam mit Otto Lechner
als Musiker und Kurator tätig war – Acht Tage musikalische Wanderungen,
an denen jeweils an abwechselnden Stationen in der Natur und in Konzerten
in Burgruinen, kleinen Kirchen oder Dorfwirtshäusern gespielt wurde.
Hans Tschiritsch beim Festival Nomaden
des Seins, Wachau 2013
2011 veröffentlichte er mit dem Trio Lechner, Haselsteiner, Tschiritsch
die CD Neun,
2016 das Album NoMaden des
Seins.
2018 veranstaltete Hans Tschiritsch Instrumentenbau- und Obertongesang-Workshops in Auroville, Indien. Ziel war es, verschiedene Prototypen von innovativen Musikinstrumenten zu entwickeln und zu bauen. Am Ende stand ein Konzert, bei dem alle gebauten Instrumente zum Einsatz kamen.
2019 folgte Hans Tschiritsch einer Einladung der Musikerin und Erhu-Spielerin Chiao Hua Chang nach Taipeh, Taiwan, um dort mit dem Taipei Sizhu Orchestra Eigenkompositionen einzustudieren und in einem Konzert in der National Theater and Concert Hall zur Aufführung zu bringen.
Instrumentenbau-Workshop 2018 in Indien, Bau einer Wehmutswalze oder Dreh-Tampura
Hans Tschiritsch mit dem Taipei Sizhu Orchestra, Chiao Hua Chang und der Tänzerin Nancy Kuo beim grossen Abschlusskonzert 2019 in Taiwan
Eine Auswahl von Hans Tschiritschs erfundenen Klangskulpturen sind im Dezember 2023 in einer Ausstellung im Foyer des Odeon Theaters in Wien zu sehen.
Hans Tschiritsch improvisiert auf dem Ölfass-Bass, Ausstellung im Odeon Theater 2023
Hans Tschiritsch spielt
laufend Konzerte in unterschiedlichen
Konstellationen. Als Obmann des Kunstvereins
Klangwerk engagiert er sich für eine lebendige Gegenwartskultur.
Hans Tschiritsch lebt und arbeitet in Wien.